oll Vermögen auf die nächste Generation transferiert werden, muss stets die Schenkungsteuer im Blick behalten werden. Andernfalls können ungewollt hohe Steuerschulden entstehen. Das Problem: Je nach Verwandtschaftsgrad bestehen nur geringe Freibeträge und eine Schenkung wird unattraktiv. Eine attraktive Alternative bietet hier eine Kettenschenkung. Das Modell ist einfach umzusetzen und wurde auch mehrfach vom BFH abgesegnet – jüngst erst mit Beschluss vom 28.7.22 (II B 37/21). Nachfolgend wird im Detail erläutert, wie man das Steuersparmodell in der Praxis optimal umsetzt. |
1. Die Kettenschenkung als Gestaltungsmodell
Eine Kettenschenkung kann immer dann zur steueroptimierten Gestaltung genutzt werden, wenn Vermögen auf eine Person übertragen werden soll und durch die Vermögensübertragung die schenkungsteuerlichen Freibeträge überschritten werden. Um zu verhindern, dass Schenkungsteuer anfällt, wird dann eine Kettenschenkung vollzogen. Das Vermögen wird hierzu ganz oder teilweise nicht auf die eigentlich zu begünstigende Person übertragen, sondern zunächst auf eine andere Person. Diese überträgt das Vermögen dann im Anschluss auf die eigentliche Zielperson. Es wird also innerhalb einer Kette geschenkt, bis das Vermögen (hoffentlich) da ankommt, wo die die erste Schenkung ausführende Person es gerne hätte.
Beispiel |
Oma Erna schenkt ihrer Enkelin Eva 350.000 EUR. Lösung: Die Schenkung unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Besteuerung. Maßgebend für die Höhe der Steuer ist der Wert der Bereicherung des Beschenkten nach Abzug der persönlichen Freibeträge. Da sich die Schenkung auf 350.000 EUR beläuft und bei einem Enkel gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ein Freibetrag von 200.000 EUR abzuziehen ist, unterliegen 150.000 EUR der Besteuerung. Da Enkel der Steuerklasse I angehören, beträgt die Schenkungsteuer gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG 11 % und mithin 16.500 EUR. Abwandlung: Oma Erna schenkt die 350.000 EUR ihrer Tochter Tina. Diese schenkt sie dann im Anschluss ihrer Tochter Eva (der Enkelin von Oma Erna). Lösung: Es liegen zwei steuerpflichtige Schenkungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vor. Die erste Schenkung von Oma Erna an ihre Tochter Tina ist mit 350.000 EUR anzusetzen. Davon ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ein Freibetrag von 400.000 EUR abzuziehen. Die Schenkungsteuer beträgt 0 EUR. Gleiches gilt für die Schenkung von Tina an Eva. Vorteil: Es werden 16.500 EUR Steuern gespart. Nachteil: höherer Verbrauch von erbschaftsteuerlichen Freibeträgen. Diese erneuern sich allerdings alle zehn Jahre. |
2. Vorsicht vor einem Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO
Derartige einfache wie effektive Steuergestaltungen rufen auch das Finanzamt auf den Plan. Schnell wird vom Finanzbeamten die Argumentation ins Feld geführt, dass es sich bei der vollzogenen Kettenschenkung um unzulässigen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO handelt. Die Konsequenz: Die Kettenschenkung wird für steuerliche Zwecke nicht anerkannt und es wird eine direkte Schenkung von der ersten an die letzte Person in der Kette unterstellt. Damit hat das Finanzamt auch recht – wenn sich die beteiligten Personen nicht an einige wichtige Grundregeln halten. Beachten sie diese allerdings, ist eine Kettenschenkung auch für steuerliche Zwecke anzuerkennen, und ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO liegt nicht vor. Damit das Finanzamt keinen Gestaltungsmissbrauch sieht, sind folgende Bedingungen einzuhalten:
1. Dispositionsmöglichkeit des Zwischenerwerbers: Voraussetzung ist zunächst, dass alle zwischengeschalteten Personen (im Beispiel die Tochter Tina) nicht zur Weitergabe des erhaltenen Vermögensvorteils verpflichtet sind. Alle Personen in der Kette müssen frei über die zunächst ihnen zugewandte Schenkung verfügen können und dürfen und damit über eine Dispositionsmöglichkeit verfügen. Die Schenkung kann also nicht von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass sich die Bedachten vorab oder parallel zur Weitergabe an die Zielperson verpflichten (nicht im Übertragungsvertrag und nicht in anderweitigen Vereinbarungen).
Merke | Typischerweise finden Kettenschenkungen deshalb nur innerhalb des engsten Familienkreises statt. Denn der Zuwendende kann sich nicht sicher sein, wie die zwischengeschaltete Person tatsächlich handelt. |
2. Keine Sicherstellung der Weiterschenkung: Weitere Voraussetzung ist, dass etwaige Verträge und Vereinbarungen nicht derart inhaltlich aufeinander abgestimmt sein dürfen, dass eine Weiterleitung des Vermögensvorteils zum begünstigenden „Endempfänger“ sichergestellt wird. Deshalb darf die erste Schenkung beispielsweise nicht unter dem Vorbehalt einer Rückforderung stehen, wenn nicht eine bestimmte vom Schenker gewünschte Handlung (z. B. Weiterschenkung an den Endempfänger) vollzogen werden sollte.
3. Ausführung der Schenkungen nacheinander: Dies bedingt als letztes Erfordernis, dass die vorangehende Schenkung an die zwischengeschaltete Person bereits ausgeführt worden sein muss, bevor die anschließende Schenkung an die Zielperson vereinbart werden kann. In der „Kette“ wird damit immer von oben nach unten geschenkt, wobei alle zwischengeschalteten Personen frei darüber entscheiden können müssen, ob sie eine Weitergabe vornehmen. Es sollten daher – wenn notarielle Verträge erforderlich sind – immer getrennte Urkunden verwendet werden (siehe hierzu z. B. auch BFH 10.3.05, II R 54/03; 30.11.11, II B 60/11; 18.7.13, II R 37/11). Denn werden Schenkung und Weiterschenkung in einer Urkunde zusammengefasst, erlangt der zuerst Bedachte regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit, es sei denn, aus dem Vertrag oder den Umständen ergibt sich eindeutig etwas anderes (vgl. BFH 28.7.22, II B 37/21 m. w. N.).
Merke | Möchte das Finanzamt die Kettenschenkung nicht anerkennen, trägt es die Beweislast dafür, dass eine Weitergabeverpflichtung bestand. Denn es handelt sich um einen steuerbegründenden Tatbestand. |
3. Kettenschenkung an Schwiegerkinder sinnvoll
Neben der bereits dargestellten Kettenschenkung von Großeltern an ihre Enkel wird das Modell in der Praxis insbesondere dann genutzt, wenn Schwiegerkindern Vermögen zugewandt werden soll. Der Grund hierin liegt darin, dass bei einer Schenkung an Schwiegerkinder lediglich ein Freibetrag von 20.000 EUR gilt (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG), wohingegen bei Kindern ein Freibetrag von 400.000 EUR abgezogen werden kann (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Beispiel |
Oma Erna möchte ihrer Tochter Tina und deren Ehemann Elvis 100.000 EUR als Startkapital für das eigene Haus zuwenden. Da sie beide zu gleichen Teilen begünstigen möchte, überweist sie jedem 50.000 EUR. Lösung: Während bei Tina der Freibetrag von 400.000 EUR greift und deshalb keine Steuer anfällt, sind bei Elvis nur 20.000 EUR abzuziehen. Damit unterliegen 30.000 EUR der Schenkungsteuer. Diese beträgt 15 % und damit 4.500 EUR. Abwandlung: Oma Erna überweist ihrer Tochter Tina 100.000 EUR zur freien Verfügung. Ein paar Tage später schenkt diese ihrem Ehemann Elvis 50.000 EUR. Lösung: Es liegt eine Kettenschenkung vor. Bei der Schenkung von Oma Erna an Tochter Tina fällt aufgrund des Freibetrags von 400.000 EUR keine Steuer an. Zwischen Tochter Tina und Ehemann Elvis kommt es auch nicht zur Besteuerung, da ein Freibetrag von 500.000 EUR gilt (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). |
4. Auch Immobilienübertragungen sind begünstigt
Als Gegenstand einer Kettenschenkung kommen nicht nur liquide Mittel in Betracht. Auch Immobilien, Aktien oder andere Wertgegenstände können unter optimaler Ausnutzung der persönlichen Freibeträge innerhalb einer Kette verschenkt werden. Zugleich lassen sich weitere Steuerbefreiungen – wie z. B. § 13d ErbStG, der Abschlag von 10 % für zu Wohnzwecken vermietete Immobilien – nutzen. Das kann das Sparpotenzial nochmals erhöhen.
Bei einer Immobilienübertragung kann sich die schenkende Person – egal ob es sich um eine normale Schenkung oder um eine Kettenschenkung handelt – noch einer weiteren Gestaltung erfreuen: Die Zuordnung eines Spekulationsgewinns i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG (z. B. Aktien) oder § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG (Immobilien) kann – wie der BFH jüngst urteilte – ebenfalls an den Empfänger „verschenkt“ werden.
Beispiel |
Der Arzt Dr. Peters möchte eine Immobilie innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG verschenken. Bei einem Verkauf an einen Dritten rechnet er mit einem Gewinn von 100.000 EUR. Dieser unterliegt wegen seiner weiteren Einkünfte dem Spitzensteuersatz von 45 %. Infolge von Soli (5,5 %) und Kirchensteuer (9,0 %) muss er damit – bezogen auf den Veräußerungsgewinn – 51.525 EUR Steuern zahlen. Er entscheidet sich dazu, die Immobilie kostenlos auf seinen volljährigen studierenden Sohn zu übertragen. Dieser verfügt über keinerlei Einkünfte und veräußert im Anschluss die Immobilie an den Dritten. Lösung: Der Veräußerungsgewinn kann dem Sohn zugerechnet werden. Bei diesem fallen im Jahr 2022 maximal Steuern i. H. v. 37.400 EUR an. Vorteil: Eine Ersparnis von 14.125 EUR abzgl. der Notar- und Gerichtskosten für die Zwischenübertragung. Grunderwerbsteuer fällt nicht an (steuerfreier Vorgang) und Schenkungsteuer aufgrund der hohen Freibeträge voraussichtlich auch nicht. |
5. Wiederum kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO
Auch hier stellt sich die Frage, ob Gestaltungsmissbrauch vorliegt und die Übertragung auf den Sohn tatsächlich eine Abschirmwirkung für Dr. Peters entfaltet. Insbesondere wenn die Übertragung auf den Sohn und der Verkauf von diesem an den Dritten noch am selben Tag (eventuell nur eine Urkundennummer später) erfolgt, könnte ein findiger Finanzbeamter hierauf schnell kommen. Doch Dr. Peters hat Glück. Am 23.4.21 (IX R 8/20) entschied der BFH einen vergleichbaren Sachverhalt, ordnete den Gewinn der zwischengeschalteten Person zu (hier dem Sohn) und sah keinen Gestaltungsmissbrauch. Die Begründung:
Der Veräußerungsgewinn unterliegt bei der vorgenommenen Übertragung auf den Sohn gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 EStG noch immer der Besteuerung – nur bei dem Sohn. Diese bereits vom Gesetzgeber eingeführte Missbrauchsvorschrift i. S. v. § 42 Abs. 1 S. 2 EStG führt dazu, dass generell ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO ausgeschlossen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Vater Dr. Peters selbst das Veräußerungsgeschäft mit dem Dritten angebahnt hat, die Immobilie dann unentgeltlich auf den volljährigen Sohn überträgt und dieser selbstständig entscheiden kann, ob er die Immobilie behält oder – egal an wen – veräußert. Die Übertragung auf die volljährige Person und die Veräußerung von dieser an den Dritten können dabei sogar an ein und demselben Tag erfolgen. Wichtig ist lediglich, dass die Person frei über die Immobilie und den Kaufpreis verfügen darf und der Kaufpreis auch an diese Person ausbezahlt wird.